Leichen pflastern Weg der reichen Städterin

05. März 2007

TROSCHENREUTH - Wie bei einem Spiel die Mikadostäbe fallen, so fallen hier die Toten. Eine einzige Frau hat diese Leichen am Hals: Es ist die einst reiche Städterin, deren dörflicher Mann über Versicherungsbetrug zu Geld kommen wollte und dadurch eine ungeahnte Talfahrt auslöst.

TROSCHENREUTH - Wie bei einem Spiel die Mikadostäbe fallen, so fallen hier die Toten. Eine einzige Frau hat diese Leichen am Hals: Es ist die einst reiche Städterin, deren dörflicher Mann über Versicherungsbetrug zu Geld kommen wollte und dadurch eine ungeahnte Talfahrt auslöst.

Diese Frau wird anfangs fast hysterisch angesichts der Verwicklungen. Aber am Ende arrangiert sie die Leichen, als sei es ihr tägliches Geschäft. Den Entsetzensschrei ihres Hausmädchens tut sie ab: «Nix gewöhnt, die jungen Dinger!» Dieses Kriminalstück von Stefan Schroeder fiel in die Hände des Troschenreuther Mundarttheaters.

Das Team klemmte sich mit unglaublichem Einsatz hinter «Jerry ist tot!» und klebte schauerlich-schöne Musik dazu, Slapstick, klirrende chinesische Vasen und zerspringende Tassen. Ausgefeilt ist die Tontechnik und noch ausgefeilter das Zeichnen der Charaktere. Ausladende Perücken kommen zum Einsatz, die schrägsten Klamotten. Dazu das Typische des dörflichen Mundarttheaters, die kantigen Schauspieler mit ihrer Fähigkeit zum tiefen Granteln und zum echten Fröhlichsein, wovon der glatt gebügelte Städter schon weit entfernt ist.

Da ist zum Beispiel Helmut Dettenhöfer. Er spielt den abgelehnten Liebhaber der Dame und macht ihr so geil-tierisch den Hof, dass es nur noch Lacher gibt. Oder Katrin Götz als lauend-listige Nachbarin: Ihre ganze rundliche Figur spielt mit. Sie hat eine unschlagbare Mimik und nur manchmal einen kleinen Nachteil: Sie wiederholt spezielle Gesten zu oft.

Den Ehemann der mörderischen Hausdame gibt Wolfgang Hempfling. Er ist gleichzeitig der Regisseur, unterstützt von Nadine Arnold. Er muss in diesem elften Stück der Mundarttruppe nicht viel tun, weil er gleich am Anfang verunglückt. Auch am Schluss ist er schnell aus dem Spiel - aber das mit schlagartigem Effekt.

Sehr gute Visage

Mehr gefragt sind zwei Polizisten, gespielt von Manfred Popp und dem Nachwuchs Kilian Dettenhöfer. Bei Manfred Popp rätselt der Zuschauer immer wieder, wie es Hempfling gelang, so eine gute Visage als Kommissar zu finden.

Bei Kilian Dettenhöfer bewundert er das Erzittern des ganzen Kerls, bis zu den Backen, und seine Watson-artige Naivität. Nur manchmal müsste es Dettenhöfer vermeiden, sich zu tumb zu stellen. Das Gleiche gilt für das Hausmädchen Michaela Dürtler. Sie passt sehr gut für diese etwas versponnene, schon in der Jugend vertrocknete Jungfer, und macht dem Inspektor sehr gekonnt schöne Augen - aber manchmal hängt auch sie zu sehr im alten Stil der Mundartbühnen, die an sich einfache Dinge betont auswalzen, als käme das Publikum erst dann mit.

Sehr stilvoll, konsequent und mit attraktivem Minenspiel tritt Karin Wiesend als Vertreterin der Lebensversicherung auf. Ein ungelöstes Rätsel ist, was unter ihrem Zylinder verborgen steckt, dass es so leicht zur Spaltung einer ganzen Porzellanvase führt.

Witzige Ulknudel

Sie erntet genauso Szenenapplaus wie Karolin Buchfelder, die Tochter eines Bestattungsunternehmers (ungewohnt seriös: Heinz Rupprecht). Buchfelder ist eine überraschend gute Ulknudel mit persönlichen Gags und schräger Lispelei, dass sich die Zuschauer nur so biegen.

Zuletzt der Blick auf Beate Neukam, die reiche Städterin und ungewollte Mörderin, die am Ende, nach der x-ten Leiche, resigniert. «Dumm gelaufen!» sagt sie mit einem unnachahmlichen Ton, als es auch ihren Jerry weggeputzt hat. Diese Beate Neukam hat eine Riesenaufgabe: Sie muss vom Anfang bis zum Ende auf der Bühne sein, immer sprechen, immer trauern, immer tricksen - und sie schafft es, obwohl sie bis kurz vor der Premiere krank war.

Erschüttert wackelndes Kinn

Sie hat irgendetwas Tragendes in sich, eine Stärke, die kaum spürbar zusammenhält. Sie kommt auch schnell weg vom etwas zu Pastosen des Beginns, vom Über-Geschauspielerten, und müsste nur in einer Szene kürzen: Als sie ihr Telefon mit in den Garten nehmen will, damit keiner abhebt, wenn der tote Ehemann anruft. Da zieht sich das Argumentieren in die Länge. Ansonsten kann man nur staunen über ihren Einsatz bis hin zum in Trauer erschüttert wackelnden Kinn.

So ist diese schwarze Komödie im englischen Stil eines Sherlock Holmes nur zu empfehlen. Sie wechselt schnell die Szenen, baut Spannung auf und endet ganz anders als man denkt. Dazu hat sie viel Salz in der Suppe, was immer einer guten Regie zu verdanken ist: pfiffige Gesten am Rande, lustige Ideen.

THOMAS KNAUBER

(Weitere Aufführungen am 16. und 17., 23.und 24. sowie 30. und 31. März im «Roten Ochsen»)

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