Gelungenes Theatergastspiel

16. November 2014



Es war wieder Theater in Troschenreuth: Mutter, Vater und Tochter treffen sich beim Bestatter, um die Beerdigung der Oma zu besprechen. Soweit ganz normal. Auch dass die Eltern nach 26 Ehejahren nun geschieden sind, ist nichts besonderes. Die erwachsene Tochter, inzwischen Ärztin, ist ausgezogen und führt ihr eigenes Leben. Alles ganz normal.



Es war wieder Theater in Troschenreuth: Mutter, Vater und Tochter treffen sich beim Bestatter, um die Beerdigung der Oma zu besprechen. Soweit ganz normal. Auch dass die Eltern nach 26 Ehejahren nun geschieden sind, ist nichts besonderes. Die erwachsene Tochter, inzwischen Ärztin, ist ausgezogen und führt ihr eigenes Leben. Alles ganz normal.


Und eben dieses "Normale" macht den Reiz des Theaterstückes von Rüdiger Baumann vom gleichnamigen Kulmbacher Theater aus. Die Charaktäre sind zwar stark überzeichnet, aber so, dass garantiert jeder irgendwen darin wieder erkennt. Da ist die Mutter, Gudrun, die seit der Scheidung in ihrem Beruf als Flilialleiterin der Discountkette "Lildi" voll und ganz aufgeht. Da ist die Tochter Franzi, die Medizin studiert hat, aber noch nicht weiß, welche Facharztrichtung sie einschlagen soll. Und da ist der Vater Siegfried, ehemals das allesbestimmende Oberhaupt der Familie und Autonarr. Sie alle treffen sich nach zwei Jahren ohne Kontakt wieder im Wartezimmer des Bestattungsinstitut und müssen warten, denn alle Bestatter sind aufgrund eines Unfalles gebunden.

Die Wartezeit zerrt an den Nerven, der alte Zwist zwischen den Eheleuten bricht wieder auf, Vorwürfe und gegenseite Beleidigungen fliegen durch den Raum. "Aber Mama, es muss Dir auch mal etwas an ihm gefallen haben!" "Nein! 26 Jahre habe ich gesucht, aber nichts gefunden." Dazwischen fällt Gudrun immer wieder in die Rolle der strengen Fillialleiterin zurück, die von ihrer Firma, dem überaus sozialen Unternehmen Lildi, so indoktriniert wurde, dass sie Wahrheit und Werbesprüche gar nicht mehr auseinanderhalten kann. "Unser Motto: AIKO - Alles immer konsequent optimal!".



Der ehemalige Pascha der Familie, Vater Siegfried, verteidigt seine Seitensprünge noch immer "Sie mich so gedrängt, da gab ich halt nachgeben müssen." Und auch seine Art, alles zu bestimmen, empfindet er als gar nicht so schlimm: "Was kann ich dafür, wenn ich immer schon im voraus gewußt habe, wass sie will?" Nun aber muss er zugeben, dass er abgebrannt ist, dass er Freundin, Auto, Job und Wohnung nach einem Autounfall verloren hat, an dem natürlich der andere Schuld hat, der ihn auf der Autobahn unbedingt überholen wollte.

Aber dann kommt das plötzliche Entsetzen, als Tochter Franzi beläufig erwähnt, dass sie nicht mehr mit Benny zusammen ist, sondern mit Dassa. Und Dassa kommt aus Namibia. Nun sind sich Vater und Mutter einig: Ein Neger in der Familie, dass darf nicht sein, was sollen denn die anderen denken? Hier bedient der Autor alle Klischees und Vorurteile, die die Tochter nach und nach zerpflückt und den Eltern wie einen Spiegel vorhält. Und das so urkomisch, dass man laut lachen muss, obwohl der latente Rassismus in der Gesellschaft eigentlich alles andere als lustig ist.



Alles steuert unaufhaltsam auf eine familiäre Katastrophe zu, bis sie auf einmal bemerken, dass die Oma ihre eigene Beerdigung ja schon längst geplant hat, alles vorbereitet und ausgearbeitet hat, ganz anders als es sich die Kinder vorstellen können. Da sind sie dann plötzlich wieder vereint in der Ansicht, dass die Oma je verrückt geworden sein muss.

Am Ende des Gastspiels beim Troschenreuther Mundarttheater gab es dann nur zufriedene Gesichter. Beim sich die Lachtränen aus den Augen wischenden Publikum, das den drei Schauspielern Birgit Baumann (Gudrun), Charis Hager (Franzi) und Rüdiger Baumann (Siegfried) tosenden Applaus schenkte; beim Ensemble des Baumann Theaters, das von der Begeisterungsfähigkeit des Troschenreuther Publikums und der professionellen Organisation sehr angetan war; und beim Troschenreuther Mundarttheater, dessen Vorstand Wolfgang Hempfling mit dem Engagement der Baumanns alles richtig gemacht hat, wie der zweimal voll besetzte Saal beweist.

Rüdiger und Birgit Baumann gründeten 2002 in Kulmbach das Theater "Das Baumann" und konnten schon zahlreiche Preise und Auszeichnungen entgegen nehmen, darunter den Kulturpreis der Oberfrankenstiftung. In einem ehemaligen Gasthaus führen die Baumanns Stücke aus eigener Autorenschaft auf. Die Inspiration dazu erhält Rüdiger Baumann, eigentlich Fotograf, aus dem Altag, ganz nach dem Motto: "Darüber sollten wir mal ein Stück schreiben".